„Die Nazizeit hat uns einen ganz anderen Typus des Massenmörders als den bis dahin Bekannten beschert. Er saß im Büro, und mit einem Telefonanruf oder einer Unterschrift konnte er in einer Entfernung von hunderten Kilometern tausende Menschen umbringen lassen. Die Justitia wird mit verbundenen Augen dargestellt, in einer Hand hält sie eine Waage, die die Ausgewogenheit von Schuld und Strafe darstellen soll. Bei Urteilen wegen Naziverbrechen aber gibt es kein Gleichgewicht und keine Ausgewogenheit. Ich bin der Überzeugung, dass jeder Naziprozess an und für sich aus historischen und moralischen Gründen wichtig ist und dass er als Lehrstunde für junge Menschen von eminenter Bedeutung ist. Solche Prozesse sind eine Warnung an die Mörder von morgen, die vielleicht schon geboren sind.“

(Dankesrede nach der Überreichung des Ordens vom Weißen Löwen der Tschechischen Republik durch Präsident Vaclav Havel, 26. Juni 1999) 

„Es gibt für die Juden keine moralische Wiedergutmachung, solange sie wissen, dass der Endlöser Eichmann am Leben und frei ist. Die Überlebenden dieses großen Blutbades können nicht mit materieller Wiedergutmachung oder durch Kleider- und Nahrungspakete ermuntert werden, sich in ein normales Leben einzufügen. Was ihnen fehlt, ist die Sicherheit, dass die Welt solche Verbrecher wie Eichmann bestraft und dass diese Bestrafung eine Warnung für alle Zeiten bleibe, damit sich solche Gräuel nicht mehr wiederholen.“

(Aus: „Ich jagte Eichmann“, Gütersloh 1961, 102.)

„Das größte Hindernis [für die deutsche Justiz und für alle, die ihr helfen wollten] war (…) eine absolut falsche Bezeichnung, ein Wort, das 1941 von Goebbels geprägt und 1942 von den Alliierten übernommen wurde und das seither unausrottbar zu sein scheint. Das ist die Bezeichnung „Kriegsverbrecher“. Jeder Krieg ist ein Verbrechen. (…) Die Verbrechen der Nazis begannen aber bereits sechs Jahre vor dem Krieg mit der Gründung der Konzentrationslager, dem Nürnberger Recht, der Kristallnacht und vielem anderen.

Und auch während des Krieges, besonders 1942/1943, als Millionen unschuldiger Menschen abgeschlachtet wurden, da geschah dies in Vernichtungslagern, die sich in einer Entfernung von etwa 800 bis 1000 km von der Front befanden. (…) Wenn wir diese Verbrechen Kriegsverbrechen nennen, dann ist das eine Verharmlosung und wir machen aus den Mördern Soldaten. Ein Soldat kämpft aber gegen Bewaffnete. Er kann töten, er kann getötet werden. Doch die Leute, die in den Ghettos und in den Konzentrationslagern ihr grausiges Werk verrichtet haben, „kämpften“ ohne Risiko. Und weil ihr Kampf ohne Risiko war, haben über 90 Prozent der Verbrecher den Krieg überlebt.

[An deutsche Generäle gewandt:] Kameradschaft hört dort auf, wo das Verbrechen beginnt, Verweigert sie, erlaubt diesen Mördern nicht, sich Soldaten zu nennen.“

(Vortrag vor der Vereinigung Europäischer Journalisten, Bonn, 22. Jänner 1979)

„Alle diese auch heute noch gültigen internationalen Verträge [bez. Kriegsverbrechen, Völkermord, gegen die Menschlichkeit] enthalten keine Bestimmung über eine Verjährung. Dies entspricht auch den Grundsätzen der Humanität und Gerechtigkeit, denn Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen den Frieden unterscheiden sich in ihrem Charakter, in der Anzahl der Täter, im Ausmaß der angewandten Brutalität und vor allem in der Anzahl der Opfer von allen individuellen Straftaten. Wir glauben daher, dass die Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Einklang mit dem internationalen Völkerrecht abgeurteilt werden müssen, um so mehr als die Bundesrepublik Deutschland und auch Österreich die Konvention gegen den Völkermord mit unterzeichnet haben.“

(Wiesenthal: Verjährung?, 1965, 8.)

„Es dauerte eine ziemlich lange Zeit – vielleicht ein Jahr –, bis ich mich gegen die Kollektivschuld durchgerungen habe. Sie müssen das verstehen. Wenn man aus dem Konzentrationslager kommt und sieht, dass niemand am Leben geblieben ist. Da gibt es keine Zeit für solche Überlegungen. Damals war für mich jeder schuldig, auch die Unbeteiligten, auch die von anderen Nationen, die Gleichgültigen, denen die Nazizeit nichts ausgemacht hat.“

(Aus „Jüdische Lebenswege“ Simon Wiesenthal im Gespräch mit Guido Knopp, 1987, 78.)

„Erstens: Meine Gebete spreche ich zwar seit meiner Kindheit nicht mehr in der Sprache der Bibel, aber der moralische Wert der biblischen Inhalte für Juden und Christen ist mir zutiefst bewusst. In der Geschichte von Sodom und Gomorrha ringt Abraham mit Gott, indem er sagt, wenn nur zehn Gerechte in der Stadt sind oder neun, acht oder sieben – vernichte sie nicht. Gott antwortet: Es gibt keine Gerechten. Dieses Ringen Abrahams war ein Ringen gegen die Kollektivschuld. In der Bibel steht nichts Zufälliges und ich habe erkannt, dass ich die Kollektivschuld ablehnen muß.

Zweitens: Wir Juden sind seit 2000 Jahren Opfer der Kollektivschuld-These. Wir wehren uns dagegen. Warum sollten Juden von heute, die vor 2000 Jahren gar nicht gelebt haben, für den Tod Jesu am Kreuze verantwortlich sein. (…)

Diese beiden Überlegungen haben dazu geführt, dass ich seit über vierzig Jahren konsequent gegen eine Kollektivschuld der Deutschen, Österreicher oder anderer Völker auftrete. Meine Arbeit im Dokumentationszentrum zielt darauf ab, individuelle Schuld aufzuzeigen, und steht daher unbedingt als Antithese zur Kollektivschuld.“

(In: Sporrer u. Steiner: Ein unbequemer Zeitgenosse, 1992, 66f.)

„Kollektive Drohungen sind mit jüdischer Ethik unvereinbar. Sie ignorieren die Tatsache, dass Juden, 2000 Jahre lang Opfer von kollektiven Drohungen und kollektiven Beschuldigungen gewesen sind. (…) Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich nur an individuelle Schuld halte, und ich teile diese Meinung mit der ganzen zivilisierten Welt. (…) Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Bekenntnis zur Wahrheit. Während der mehr als vier Jahrzehnte meiner Arbeit habe ich niemanden angeklagt, ohne Beweis in Form von Zeugenaussagen oder Dokumenten gegen ihn zu haben. Diese Haltung hat mir meinen Ruf verschafft, nicht nur bei den Juden, sondern auch bei den Historikern, den Richtern, den Staatsanwälten vieler Länder und bei der öffentlichen Meinung.“

(aus dem Bulletin des Dokumentationszentrums vom Jänner 1987, mit Bezug auf den Jüdischen Weltkongress und dessen Androhung unangenehmer Konsequenzen für das gesamte österreichische Volk, im Fall der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten)

„Wie vermittelt man das Wissen über den Nationalsozialismus und den Faschismus in seiner extremsten und grausamsten Form, wie sie in der Judenvernichtung zum Ausdruck kam?

Wie erzähle ich dieses Unbeschreibliche einem, der das Glück hatte, verschont zu bleiben; dem, der zu dieser Zeit nicht in Europa war; einem jungen Menschen, der nach dem Krieg geboren wurde?

Auf direktem Weg, durch das Präsentieren von Dokumentar- und Erlebnisberichten war das nicht möglich, es führte zu einer Langeweile des Grauens, vor allem bei der jungen Generation.

Eichmanns sagte schon 1944: „100 Tote sind eine Katastrophe, 1,000.000 Tote sind eine Statistik“ – und er hatte Recht. Der Mensch ist nur imstande, sich mit Einzelschicksalen oder dem Schicksal einer kleinen Gruppe zu identifizieren, nicht aber mit einer unvorstellbaren Ziffer aus einer Statistik.

Die große Bedeutung des Tagebuches von Anne Frank hat ihren Grund darin, dass hier ein Kind als Symbol von Millionen Kindern, die umgebracht wurden, über sein Schicksal berichtet. Das Geschehen läuft im Rahmen des Fassbaren ab, in vertrauten Dimensionen.“

(Rede bei der Präsentation des Filmes „Die Gärten der Finzi Contini“, Basel/Schweiz,

11. Jänner 1981)

„Die Kinder derer, die im Nationalsozialismus auf der Seite der Opfer waren und die Kinder derer, die zu den Tätern gehörten, leben in Österreich und Deutschland nebeneinander und müssen miteinander leben. Wie können wir dieses Zusammenleben so gestalten, dass nie wieder eine Generation von Tätern und Opfern heranwächst?

Ich glaube, es gibt dafür keine andere Lösung, als uns immer wieder mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und daraus zu lernen.

Es gibt auch heute unmenschliche Diktaturen, deren Menschenrechtsverletzungen man anprangern muß. Es gibt auch heute Ansätze zum Faschismus, zu denen man nicht schweigen darf. Es gibt auch heute Antisemitismus, der gebrandmarkt werden muß. 

Wir müssen erzählen, wie unsere Generation Hitler und den Nationalsozialismus unterschätzt hat, wie ihr Glaube an Fortschritt, Kultur, Gerechtigkeit und Freundschaft keinen Wert mehr hatte. Man hat den Anfängen nicht gewehrt und schweigend zugesehen, wie in den Ländern, die Hitler zu überfallen im Sinne hatte, faschistische Parteien entstanden, wie Mehrheiten gegen Minderheiten aufgestachelt und die Menschen so von der aktuellen Bedrohung und Gefahr abgelenkt wurden.“

(Auszug aus einem Referat beim Symposium „Überleben der Shoah“ im Wiener Rathaus, November 1997)

„Ich hatte vor etwa zehn Jahren mehrere Gespräche mit Albert Speer. (…) Es hatte mich immer interessiert, wie so ein genialer Mensch einem solchen Verbrecher dienen konnte. Und er sagte mir: “Ich war ein junger Architekt, und auf einmal öffnete sich vor mir eine Möglichkeit, etwas Großes zu machen. So ging ich zur Partei, bin dann immer wieder hochgekommen, und dann habe ich jede Kontrolle verloren. (…) Ich habe ziemlich spät gesehen, dass der Mann [Hitler] das ganze Volk in seinen Untergang hineinziehen will.“ (…) Speer hat in Nürnberg mehr zugegeben als in der Anklage stand. Ich sagte ihm: „Ich war bei Ihrem Prozess, ich habe gesehen, wie Ihr Verteidiger verzweifelt war, als Sie auf einmal sagten, Sie wollen nicht nur für sich selbst und das, was Sie gemacht haben, gerade stehen, sondern auch für die Taten der Regierung, dessen Mitglied Sie waren. Ohne diese Aussage hätten Sie damals 10 Jahre bekommen; hätte man aber all das gewusst, was man heute aus verschiedenen Dokumenten, usw. kennt, dann hätten Sie lebenslänglich oder vielleicht sogar die Todesstrafe bekommen. Aber“, sagte ich ihm, „unser Rechtssystem hätte überhaupt keinen Sinn, wenn einem, der seine Schuld bekannt und seine Strafe abgesessen hat, nicht erlaubt wäre, neu zu beginnen. Für mich, Herr Speer, sind Sie ein neugeborenes Baby.““

(Aus einem Vortrag an der Technischen Universität Wien, Juni 1988)

…und zu Speers Buch: „Der Sklavenstaat“

„(…) habe ich jetzt Ihr Buch zu Ende gelesen. Ich halte es – historisch gesehen – für das wichtigste Buch, das Sie bisher veröffentlicht haben. Nicht so sehr von Wichtigkeit erschienen mir dabei die von Ihnen ausführlich dargestellten Kompetenzeingriffe der SS in Belange Ihres Ministeriums (…) aber Kompetenzstreitigkeiten gibt es auch in Demokratien.

Von ganz außerordentlicher Bedeutung ist besonders der vierte Teil Ihres Buches. Sie schildern darin präzise, eindringlich und überzeugend die Machtverhältnisse und die Pläne für die Zukunft der Welt, wie sie in den Köpfen von Hitler, Himmler und Bormann herumspukten und daraus folgend noch mitten im Krieg die Grundlagen für deren Verwirklichung nach dem Siege geschaffen wurden. Diese Vorkehrungen sollten einen reibungslosen Übergang zu einem Europa der Herren und Sklaven ermöglichen, wobei natürlich die Sklaven bevölkerungsmäßig die Majorität dieses unterjochten Europas bilden sollten; ein gigantisches Heer von Häftlingen, um die 15 Millionen Menschen an der Zahl, sollte vegetieren, der Rest als willenlose Untertanen zweiter Klasse leben dürfen. Diese Tatsachen vor Augen geführt zu bekommen, ist vor allem für die Menschen wichtig, die noch immer dem Dritten Reich nachtrauern und versuchen, etwas Positives am Nationalsozialismus zu finden, um ein Gegengewicht für die Verbrechen zu haben und sie dagegen aufrechnen zu können. Ich kenne viele ehemalige Nationalsozialisten, die sich in einer Art Selbstnarkose einzureden versuchen und auch andere davon überzeugen wollen, dass die Verbrechen dieser Zeit, die Vergasungen, Versklavungen und Vernichtungsaktionen nur Folgen des Krieges waren, nach dem Krieg hätten alle diese Aktionen aufgehört und die Verhältnisse hätten sich sofort und automatisch geändert.

Für diese Menschen müsste die Lektüre Ihres Buches als medizinische Maßnahme vorgeschrieben werden, um ihnen endlich die Realität vor Augen zu führen.

Für junge Menschen aber kann Ihr Buch den Beweis erbringen, dass der Nationalsozialismus, wie er von den Machtträgern Hitler, Himmler und Bormann geplant und geprägt wurde, ein Synonym für Verbrechen und Tod darstellt.

Auch so mancher Historiker, der auch heute noch glaubt – weil er keine schriftlichen Befehle Hitlers zur Ausführung all der Verbrechen gefunden hat – Hitler habe von diesen nichts gewusst, muss sich durch Ihr Buch eines Besseren belehren lassen, das den hundertprozentigen Beweis erbringt, dass sich sowohl Bormann als auch Himmler bei all ihren Vorhaben auf Befehle und Absprachen mit Hitler stützen konnten. Für die „Weisswascher Hitlers“ ist Ihr Buch eine schallende Ohrfeige.“

(Aus einem Brief an Albert Speer, 2. Juni 1981)

„Seit etwa 1970 kam in den Vereinigten Staaten und auch in Israel ein immer deutlicher werdendes Unbehagen gegenüber Österreich auf.

Das lag an folgenden Tatsachen:

In der ersten Regierung Kreiskys befanden sich unter elf Ministern vier ehemalige Naziparteimitglieder;

Die Angriffe Kreiskys mit der Drohung, das Dokumentationszentrum zu schließen; eine Protestwelle aus aller Welt war die Folge;

Die Einstellung von Verfahren gegen mehrere hundert des Mordes und der Beihilfe zum Mord Verdächtigten bei österreichischen Gerichten im Jahre 1971/72;

Die Freisprüche in sechs von acht Prozessen, die überhaupt in der 13jährigen Regierungszeit Kreiskys seit 1970 durchgeführt wurden, wobei z.B. die beiden Erbauer der Gaskammern in Auschwitz, SS-Führer von der Zentralbauleitung, freigesprochen wurden;

Die Affäre Friedrich Peter, der nahe daran war, Vizekanzler und später einer der Parlamentspräsidenten zu werden; dazu kommt noch die Freundschaft Kreiskys mit Arafat und Gaddafi, seine Bemerkungen über arabischen Terror und Israel, seine Angriffe auf Begin, usw.

Das alles zusammen wurde – da von der Person des Kanzlers Kreisky öffentlich kundgetan, bzw. mitverantwortet – Österreich zur Last gelegt.“

(Waldheims Wahl und die Folgen in Der Ausweg, Juni 1986, 2.)

„1966 habe ich ein Dossier über die Situation in Österreich [bezüglich der strafrechtlichen Verfolgung von NS-Tätern] erstellt und darin beschrieben, wie sich die Notwendigkeit von mehr Polizeibeamten und spezialisierten Staatsanwälten aufdrängt. Die Dokumentation umfasst dreißig Seiten, in denen ich den Nachweis führte, dass die Bevölkerung Österreichs 8½% der Bevölkerung des Großdeutschen Reiches ausmachte, dagegen die Zahl von Österreichern, die in Spitzenfunktionen der SS tätig waren, die mit den Verbrechen – zum Beispiel als Kommandanten von Konzentrations- oder Vernichtungslagern oder in der antijüdischen Verwaltung – direkt zu tun hatten, ein Mehrfaches dieses Prozentsatzes stellten. Dieses Dossier übergab ich dem damaligen Bundeskanzler Dr. Josef Klaus, der versprach, es an den Justiz- und den Innenminister zu senden, die mir darauf antworten würden. Ich habe niemals eine Antwort erhalten.“

(Aus einer Podiumsdiskussion zum Thema „Ahndung von NS-Gewaltverbrechen in Österreich 1945-1997“ im Wiener Rathaus, 26. Februar 1997)

„Ich bin in meinem Land – dessen Staatsbürger ich bin – ein ungebetener Gehilfe der

Justiz. (…) Ich bin nach all diesen Schwierigkeiten zu dem Schluss gekommen, die ich hier im Zusammenhang mit dem Fall Peter hatte, im Zusammenhang mit den Angriffen unseres Bundeskanzlers gegen mich, im Zusammenhang mit Gesprächen mit hohen Funktionären des

Justizministeriums, dass in Österreich keine Prozesse mehr stattfinden werden und dann sagte ich einfach: Es hat ja überhaupt keinen Sinn, wenn ich Dossiers vorbereite, Zeugen in der ganzen Welt suche, einen Fall präsentiere und dann wird alles eingestellt. (…) Dass diese Leute frei herumgehen, ist illegal! Diese Illegalität soll man legalisieren, wenn man sich traut, eine Generalamnestie auszusprechen. Aber das traut man sich nicht!“

(Aus einem Interview für den Dokumentarfilm „ Simon Wiesenthal oder Ich jagte Eichmann“ von Hans-Dieter Grabe, gesendet im ZDF in der Reihe „Beschrieben und vergessen“, 2. März 1978.)

„Der frühere Bundeskanzler Kreisky griff mich an und tat mir weh wie noch kein anderer Mensch seit der Nazi-Zeit. Er hat mich “ politischer Mafiamethoden“ beschuldigt. Er wisse zwar, dass es schwer war zu überleben, aber er habe Informationen, dass mein Verhältnis zur Gestapo ein anderes war und dass ich frei gelebt habe usw. Das haben die Journalisten natürlich weitergesponnen. Am Ende hat er es zurückgenommen.“

(Aus Hella Pick: Simon Wiesenthal. Eine Biographie, Hamburg 1997, 375.)

„Der Mächtige war in Wöllersdorf (…) Natürlich kein Honiglecken, aber im Vergleich zu Mauthausen, Dachau, Buchenwald, Auschwitz (…) gelinde gesagt, ein Sanatorium. (…) Von dort hat er seine Erfahrung mit der Unfreiheit, dort endet die Zeitgeschichte für ihn. Daher braucht er sich keine Gedanken zu machen, wie viele vergast, erschlagen, zu Tode getrampelt wurden oder verhungert sind. (…) Man sollte ihm daraus keinen Vorwurf machen, außer er versucht, diese seine Auslegung der Zeitgeschichte einem Land als politische Doktrin aufzuzwingen. Es soll niemandem einfallen, Gott behüte, die Austro-Faschisten zu verharmlosen und die Rechtlosigkeit jener Zeit zu beschönigen; aber sie mit den Nazis zu vergleichen oder gar die Taten der Nazis als harmloser darzustellen – das ist ein starkes Stück. (…) Das Kapitel 1938-45 existiert nicht für ihn. Wenn ja, dann in Verbindung mit dem Gedanken, wie viele von denen, die in jener Zeitspanne das große Wort geführt haben, er heute für seine Politik gewinnen kann.“

(Aus dem Artikel „In Zeitgeschichte: Ungenügend“ in: Der Ausweg, 1. Juni 1974)

„Ich habe gesagt, dass Waldheim auf der Basis der Dokumente, die ich zu Gesicht bekommen habe, nicht als Kriegsverbrecher angesehen werden kann. Waldheim war kein Nazi. Ich wurde gefragt, warum ich Waldheim verteidigte. Mir wurde die Stellungnahme so ausgelegt, als ob ich ihn verteidigen wollte, obwohl ich nur versucht habe, richtigzustellen, was gewisse Leute irrtümlich annehmen. (…)

Wenn ich feststellte, dass man niemanden anklagen kann ohne Unterlagen, wurde mir prompt die Frage gestellt: Warum verteidigen sie Waldheim. (…) Die Art und Weise, mit der ich 40 Jahre lang gearbeitet habe, werde ich jetzt nicht verändern. Keine Anschuldigung ohne Beweis, denn sonst werden wir in eine Position geraten, in der die Menschen uns nicht mehr glauben werden, was die Verbrecher, die wirklichen Verbrecher, uns angetan haben.“

(aus zwei Briefen an amerikanische Bekannte im Jahr 1986)

„Schon in einer seiner ersten Ansprachen, in der er sich über seine Militärzeit äußerte, sagte er, er habe nur „seine Pflicht getan“. Dieser Ausspruch erinnerte an den Dualismus österreichischer Politiker, die zur Zeit der alliierten Besatzung Österreichs im Ausland sagten: „Der österreichische Soldat wurde in den preußischen Kommissstiefel gepresst.“ Das war die Version für den „Export“. Bei Wahlen im Inland und für den Gebrauch in Österreich gab es die Version ‚Wir haben unsere Heimat verteidigt’ – wenn die Soldaten auch in Stalingrad, Kreta oder Norwegen gekämpft haben -, als wäre Österreich mit allen diesen Ländern im Kriegszustand gewesen. Die „Pflichterfüllung“ Waldheims hat eine große Verärgerung sowohl unter den Juden in Österreich als auch im Ausland hervorgerufen. Die späteren Korrekturen haben ihr Ziel verfehlt, denn die Malaise war bereits da.“

(Waldheims Wahl und die Folgen, in: Der Ausweg, Juni 1986, 2.)

„Ich weiß nicht, wer der erste Populist in der Geschichte war. Aber Hitler hatte auf populistische Weise für alle Probleme und auf alle offenen Fragen eine Antwort parat. Sie war: „Schuld an allem ist der Vertrag von Versailles, schuld ist die Demokratie, schuld sind die Juden.“ Seit dieser Zeit bin ich allergisch auf Populisten.“

(In einem Referat für das Symposium „Überleben der Shoah“ im Wiener Rathaus, November 1997)

„Seit unserer Befreiung sind wir gebrannte Kinder; wie Seismographen reagieren wir auf Erschütterungen in Bezug auf die Verletzung der Menschenrechte. Wir beziehen auch Stellung zu Ereignissen, die sich auf anderen Kontinenten Tausende Kilometer von uns entfernt abspielen, denn wir glauben, allen Menschen die Konsequenzen aus unseren Erfahrungen und Erlebnissen vermitteln zu müssen. So nahmen und nehmen wir auch Stellung zu Verletzungen der Menschenrechte in Europa, insbesondere im Ostblock, in Chile oder im Iran und identifizieren uns mit den Geknechteten, Entwürdigten und für ihre Gesinnung Eingekerkerten.“

(Rede beim Kongress der Union Internationale de la Résistance et de la Déportation [U.I.R.D.] in Kopenhagen, 27. August 1978)

„Die Verfolgung der Sinti und Roma, ihre Drangsalierung, die ihnen entgegengebrachte Intoleranz und Verachtung haben mit dem Fall des Dritten Reiches keineswegs ihr Ende gefunden.

Und es ist beschämend und schwer mit der Würde eines demokratischen Staates in Einklang zu bringen, dass noch immer eine Anzahl von Sinti und Roma, die das Inferno der Konzentrationslager überlebt hat, bis heute keine Wiedergutmachung bekommen haben.“

(Rede auf einem Kongress der Sinti und Roma in Göttingen/Deutschland, Mai 1981)

„1939 wurde das sogenannte Reichssicherheitshauptamt gegründet, von dem die Planung und Organisation des Völkermordes an Juden und Sinti und Roma ausging. Diese Opfergruppen hatten insoferne eine Sonderstellung, dass sie auf Grund der nationalsozialistischen Rassenideologie erfasst, entrechtet, deportiert und schließlich fabrikmäßig ermordet wurden – vom Säugling bis zum Greis. (…)

Nach dem Krieg dauerte es viele Jahre, bis sich die deutsche Gesellschaft und die Bundesregierung der Völkermordverbrechen an den Sinti und Roma bewußt wurden und sich damit auseinandersetzten. Dies hat sich inzwischen grundlegend geändert, und das ist in erster Linie der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma zu verdanken. 

Vorläufiger Höhepunkt aller Bemühungen und erfreuliches Resultat war die Eröffnung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma am 16. März 1997 in Heidelberg im Beisein hoher politischer Repräsentanten der Bundesrepublik.“

(Aus dem Vorwort zum Katalog zur Dauerausstellung im Kultur- und Dokumentationszentrum der Sinti und Roma in Heidelberg, 1997)

„(…) alle werden im Jahre 1992 mit Feierlichkeiten die Entdeckung der Neuen Welt begehen. Die, die damals entdeckt wurden, haben keinen Grund, sich darüber zu freuen. Schon wenige Jahrzehnte nach der Entdeckung Amerikas durch Columbus war die Bevölkerung der gesamten Karibik ausgerottet, und mit der fortschreitenden Eroberung des amerikanischen Kontinents – vor allem durch die Spanier – setzte sich diese Vernichtungswelle über den ganzen Kontinent fort.(…)

Die Indianer können auf 500 Jahre Verfolgung zurückblicken. Was in den Schulbüchern als „Christianisierung“ dargestellt wird, war keine Bekehrung. Die Indianer wurden nicht bekehrt, sondern sie wurden gefoltert, auf jede erdenkliche Weise umgebracht, und ihre Kultur wurde zerstört. Es war ein Genozid, der sich über Jahrhunderte fortgesetzt hat. Auch heute noch wird an den Indianern Tag für Tag Verfolgung begangen.“

(Aus dem Vorwort zu Segel der Hoffnung, 1991, 12f.)

„Your Excellency:

In Nazi concentration camps, I was confined together with several members of the Jehova’s Witnesses. Having met these industrious, honest people who steadfastly remain true to their beliefs, I cannot but feel committed to them.

I received information that members of this religious body are being discriminated in your country. I am unable to check this information out, as unfortunately I know very little about your country. Should my information be correct, however, I appeal to you, Your Excellency, to put an end to this discrimination, for the sake of humanity and the dignity of man. I am sure that you would thereby render your country a good service.

On the other hand, should my information be wrong, I beg you to dispose of this rumor by a firm declaration that reaches many people all over the world.“

(Aus einem Brief an den Präsidenten von Malawi, 1976.)

„Als Überlebender des Nazi-Holocaust, der 89 Mitglieder seiner und der Familie seiner Frau verloren hat, habe ich mein ganzes Leben damit verbracht, mich an die Konsequenzen der Gleichgültigkeit und des Schweigens zu erinnern und sie der Welt ins Bewusstsein zu rufen.

Herr Präsident, ich bitte Sie dringend, etwas für die Menschen in Bosnien zu unternehmen und sich aktiv dafür einzusetzen, dass eine Lösung für diese große menschliche Tragödie gefunden wird, bei der Tag für Tag unschuldige Zivilisten in Konzentrationslager geworfen und Frauen und Kinder vergewaltigt und getötet werden, ohne dass ein Ende in Sicht ist. (…)

Ich erinnere mich an die vielen einsamen Nächte im Konzentrationslager, in denen ich mich fragte, ob es da draußen irgend jemanden gibt, der um uns weiß, der sich kümmert, ob es da draußen irgend jemanden gibt, der Anstalten trifft, etwas zu tun.

Ich bin sicher, dass diese Gedanken jetzt auch die Herzen und das Bewusstsein Tausender unschuldiger Zivilisten erfüllen, die in Bosnien-Herzegowina in der Falle sitzen.“

(Auszüge – in Übersetzung – aus einem Brief von Simon Wiesenthal an George Bush im Dezember 1992, mit der Bitte, die amerikanische Regierung möge eine entsprechende Reaktion auf die andauernden Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen im ehemaligen Jugoslawien setzen)

„Als in den Berichten über die Verbrechen in Bosnien-Herzegowina immer wieder als Hauptverantwortliche Karadcic und Mladic genannt wurden, war ich fest davon überzeugt, dass diese Personen ebenso zur Verantwortung gezogen werden müssten wie die Naziverbrecher nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Installierung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag war eine wichtige und richtige Gründung der Vereinten Nationen.“

(Dankesrede anlässlich der Verleihung eines Ehrendoktorats der Universität Sarajevo, Wien, 17. Oktober 1996)

„Überleben ist ein Privileg, das verpflichtet. Ich habe mich immer wieder gefragt, was ich für die tun kann, die nicht überlebt haben. Die Antwort, die ich für mich gefunden habe (und die keineswegs die Antwort jedes Überlebenden sein muß), lautet: Ich will ihr Sprachrohr sein, ich will die Erinnerung an sie wach halten, damit die Toten in dieser Erinnerung weiterleben können.“

(In: Recht nicht Rache, 429.)

„Die Pflicht zum Widerstand beginnt dort, wo die Kränkung der Menschen durch die Verletzung ihrer Rechte beginnt. Wenn die Menschen von Anfang an Widerstand leisten, brauchen sie später keinen heroischen Kampf zu führen, denn die, die die Menschenrechte verletzen, sind immer in der Minderheit, und man muß ihnen nur rechtzeitig die Grenzen ihrer Macht zeigen.

Die Vergangenheit zeigt uns, dass das Recht auf Widerstand eigentlich meist ein Recht auf Sterben war, denn in vielen Fällen haben Widerstandskämpfer den Widerstand nicht überlebt, (…)

Der verstorbene deutsche Generalstaatsanwalt Bauer sagte: „Widerstand bedeutet Kampf um die Menschenrechte, um Freiheit und Gleichheit, bedeutet Auseinandersetzung mit dem Staat, der die Grundrechte der Menschen verletzt oder sie ihnen vorenthält. Widerstandrecht und Widerstandspflicht sind Rechtsbegriffe. (…) Sie sind immer ein Kristallisationspunkt gesellschaftlichen Denkens und Handelns und durch die Geschichte der Menschheit verfolgbar.“ 

Passiver Widerstand gegenüber verbrecherischen Gesetzen, Befehlen und Handlungen einer Obrigkeit ist Recht und Pflicht eines Jeden. Hilfe und Solidarität für Menschen, die in der Diktatur um ihre Rechte kämpfen, sind die Pflicht derer, die das Glück haben, in der Demokratie in Freiheit leben zu können.“

(Rede bei der U.I.R.D.-Konferenz, Kopenhagen/Dänemark, 27. August 1978)